Jacques Ducerf, Geschäftsführer des Ducerf-Konzerns: „Wir nehmen die Herausforderung an, Notre-Dame innerhalb von 5 Jahren wieder aufzubauen, wie von Emmanuel Macron angekündigt!“
9 Monate nach dem Brand der Pariser Kathedrale Notre-Dame werden die Überlegungen und die Debatten um den Wiederaufbau lauter. Die Holzbranche setzt sich stark dafür ein, dass der berühmte Eichenholz-Dachstuhl, der aus dem Mittelalter stammt und von den Flammen komplett zerstört wurde, originalgetreu wieder aufgebaut werden soll. Ducerf hat daher den französischen Wandergesellen Compagnons du Devoir das nötige Material zur Verfügung gestellt, um einen Teil der Dachkonstruktion im Maßstab 3:4 nachzubilden. Das Ergebnis wurde kürzlich im Rahmen der französischen Messe für Kommunalbedarf und öffentliche Dienste (SMCL) gezeigt und wird an weiteren Orten ausgestellt, um die Machbarkeit des Vorhabens unter Beweis zu stellen. Jacques Ducerf, Geschäftsführer des Ducerf-Konzerns, erläutert sein Engagement für die Sache in einem Interview ...
Wie hat die Holzbranche begonnen, sich für den originalgetreuen Wiederaufbau des Dachstuhls von Notre-Dame einzusetzen?
Jacques Ducerf: Die Reaktion kam direkt und war den allgemeinen Emotionen entsprechend stark, denn bei dem dramatischen Ereignis haben die Franzosen einen Teil ihres Kulturerbes und ihres historischen Wissens und Könnens verloren. Innerhalb der Branche herrschte die einhellige Meinung, dass es undenkbar sei, die Kathedrale aus einem anderen Baustoff als Holz wieder aufzubauen. Als Präsident des Verbands zur Förderung der Verwendung von Eichenholz (APECF) habe ich also in diesem Sinne Stellung bezogen und im vergangenen Juni hat ein Fernsehteam von TF1 unser Sägewerk besucht, um zu sehen, wie wir arbeiten, und um einen Wald in der Region zu besichtigen. Ich habe ihnen erklärt, dass es überhaupt kein Problem sei, die Dachkonstruktion von Notre-Dame aus Eichenholz wiederaufzubauen. Trotz einiger technischer Anforderungen sei ein Dachstuhl mit einem Volumen von 1.200 m3 durchaus umzusetzen. Diese Aussage und die Stellungnahmen von Meinungsführern der Holzbranche fanden in den Medien eine große Resonanz. Und ich denke, die Öffentlichkeit konnte sich zu diesem Thema ein umfassendes Bild machen.
Wie ist das gemeinsame Projekt mit den Compagnons du Devoir entstanden?
Jacques Ducerf: Direkt nach Ausstrahlung der Reportage auf TF1. Gleich im August hat uns Michel Druilhe, der Präsident des Branchenverbands für Holz- und Forstwirtschaft France Bois Forêt, darüber informiert, dass die Compagnons du Devoir sich für den Wiederaufbau des Dachstuhls von Notre-Dame interessieren und vorhaben, ein Modell im Maßstab von 3:4 von zwei Dachbindern zu erstellen. Für die Umsetzung dieses Projekts wurden wir um Unterstützung gebeten. Nicht alle Sägewerke sind nämlich wie wir in der Lage, Bauteile mit Längen von 10, 12 oder 15 Metern zu produzieren. Noch im Sommer haben wir den Compagnons also 8 m3 Holz für den ersten Dachbinder geliefert und nochmals dieselbe Menge im September. Zwischenzeitlich wurde das Projekt außerdem in der Cité de l'Architecture im Pariser Palais de Chaillot vorgestellt. Während wir den Holzzuschnitt übernommen haben, haben die Waldbesitzer, vertreten durch den Präsidenten der Forstsachverständigen Philippe Gourmain, das erste Los mit dem nötigen Eichenrohholz zur Verfügung gestellt.
„Ein starkes Symbol für die gesamte Holzbranche“
Das Projekt trägt maßgeblich zum „Lobbying“ für die Verwendung von Eiche als Bauholz bei ...
Jacques Ducerf: Ja, auf der SMCL beispielsweise haben sich die Gemeindevertreter äußerst empfänglich für dieses Thema gezeigt und viele von ihnen unterstützen das Projekt. Das ist ein wichtiges Zeichen. Die Holzbranche führt ihrerseits ihre Aktionen weiter. Die Compagnons haben uns außerdem gebeten, ihnen Holz für die Fertigung eines Modells des gesamten Dachstuhls im Maßstab von 1:20 zur Verfügung zu stellen. Das Modell soll anlässlich des nächsten Internationalen Holzbau-Forums, das im April 2020 im Pariser Grand Palais stattfinden wird, präsentiert werden. Für dieses Projekt müssen wir die Compagnons bis Ende Dezember beliefern. Durch ihre Modellprojekte können sie unter Beweis stellen, dass sie in der Lage sind, Dachkonstruktion herzustellen und sich als möglicher Auftragnehmer für den Wiederaufbau von Notre-Dame positionieren. Bei diesem Vorhaben begleiten wir sie. Durch das Projekt können sie ihren Auszubildenden die angewandten Techniken außerdem in hervorragender Art und Weise vermitteln.
Soll in erster Linie die Machbarkeit unter Beweis gestellt werden?
Jacques Ducerf: Ja, durchaus. Aber durch den Ingenieur Pierre Antoniotti, der für das Büro Art Graphique & Patrimoine (AGP) tätig ist, wissen wir auch auf den Millimeter genau, wie der neue Dachstuhl aussehen muss. Vor drei oder vier Jahren ist er komplett digitalisiert worden. Und mit Blick auf das Fachwissen und die technischen Mittel, die im Mittelalter zur Verfügung standen, sagen wir uns, dass wir heute in der Lage sein sollten, dasselbe zu schaffen. Die gesamte Holzbranche teilt diesen Denkansatz: Sägewerke, Forstsachverständige ... Außerdem haben wir kürzlich gehört, dass auch der leitende Architekt für historische Bauwerke ganz klar der Meinung ist, dass der Dachstuhl der Kathedrale originalgetreu wieder aufgebaut werden solle. Ihm zufolge ist es ein Fehler, andere Materialien als Holz zu verwenden. Wir verfolgen also mit großer Aufmerksamkeit, wie sich die Angelegenheit entwickelt und sollten wir unsere Position verdeutlichen müssen, so werden wir es tun. Der Wiederaufbau des Dachstuhls aus Eichenholz wie vor 500 oder 600 Jahre wäre ein starkes Symbol für die gesamte Holzbranche und würde außerdem dazu beitragen, den Holzberufen Anerkennung zukommen zu lassen. In diesen Berufen wird ein fantastisches Fachwissen vermittelt und trotzdem ist es heutzutage schwer, junge Leute zu finden, die im Holzbereich arbeiten wollen.
„Von den 2 Millionen m3 Rundholz, die jedes Jahr in den französischen Wäldern produziert werden, sind nur etwa 3000 m3 nötig.“
Was antworten Sie denen, die Bedenken hinsichtlich der Materialressourcen oder technischer Anforderungen äußern?
Jacques Ducerf: Manch Kritiker gibt zu bedenken, dass die Forstressourcen unzureichend sind, aber das ist falsch. Für den Wiederaufbau des Dachstuhls werden nicht mehr als 1200 m3 Schnittholz benötigt, was etwas mehr als 3000 m3 Rohware entspricht. Und die französischen Wälder produzieren jedes Jahr etwa 2 Millionen m3 Rundholz. Im Vergleich gesehen ist die benötigte Menge also kaum der Rede wert. Es gibt natürlich technische Anforderungen, was die Qualität, den geraden Wuchs und die Länge der Hölzer betrifft, aber die Menge fällt, wenn man die gesamte Jahresernte betrachtet, kaum ins Gewicht. Auch die Holzfeuchte ist überhaupt kein Problem. Beim Trocknen schwindet das Holz nur in radialer Richtung und nicht in der Länge. Lässt man es einige Monate vortrocknen, ist es zum Teil bereits geschwunden, die Resttrocknung folgt, nachdem es verbaut ist. Diese Technik wurde bereits im Mittelalter angewendet.
Wäre Ducerf also in der Lage, die nötige Rohware zu liefern?
Jacques Ducerf: Solange geeignetes Rundholz vorhanden ist, sind wir durchaus in der Lage, die Holzbauteile für den Wiederaufbau von Notre-Dame zuzuschneiden und zu liefern. Der entscheidende Punkt hierbei ist die Auswahl der Rohware, also die Verwendung hochwertiger Eichenstämme. Es muss gerades Längsholz mit einem bestimmten Durchmesser und einer bestimmten Länge ausgewählt werden. Aber das ist gar kein Problem. Innerhalb weniger Monate kann die gesamte Menge der benötigten Stämme im Sägewerk beisammen sein. Wir sind bereit, den Wiederaufbau innerhalb von 5 Jahren zu schaffen, wie von Emmanuel Macron angekündigt. Wenn der Dachstuhl originalgetreu gefertigt wird, braucht man sich darüber gar keine Gedanken zu machen. Bei anderen Materialien würde das anders aussehen ... außer vielleicht was den Vierungsturm betrifft. Hier käme in der Tat eine moderne Lösung in Betracht.